Ein Hippie war ich leider nie…

Ein Hippie war ich leider nie, auch wenn ich es so gerne gewesen wäre. 

Das wird mir hier auf der mega Hippie Insel Ibiza gerade wieder voll bewusst, auch wenn ich hier noch gar keinen echten Hippie gesehen habe. In den Neben-Gassen der Partymeile San Antonio heute, höchstens Menschen mit geringem Einkommen, Kaffee und Bier trinkend in einer Bar. Von Flower Power keine Spur, nur der Dunst von ungewaschenen Körpern und Alkohol. 


Trotzdem rüttelt es an meiner jugendlichen Seele von damals, als ich auch dazu gehören wollte, zu den coolen Hippies und besonders zu den dazugehörigen Frauen. In schwingenden Kleidern oder auch gerne mal nackt und das nicht nur in Zettels Teich , sondern auch frei tanzend im Garten des örtlichen Gemeindebüros, wo sich  unser Jugendzentrum befand. 


Den Mut hatte ich aber nicht und schon gar nicht die innere Freiheit dazu. Die fehlt mir, glaube ich, auch heute noch. Und gleichzeitig ist sie da, die unbändige Sehnsucht, mal komplett auszusteigen, in einen VW Bus zu ziehen, oder mich einer Hippie Kommune im Irgendwo auf Ibiza anzuschließen. Blöd ist nur, dass ich gar keine solche kenne und ich befürchte, das ändert sich auch nicht, wenn ich morgen mit meinem Mann und den Kindern nach Las Dalias, auf einen der legendären Hippiemärkte fahre. 


Mit Anfang 20 war ich mal für 2 Monate in der damals so wunderbaren Türkei unterwegs. Gebucht hatte ich mit meiner Freundin Bine nur den Hinflug nach Istanbul. Großes Abenteuer und schauen, wohin es uns bringt. Ich muss sagen, es hat uns wirklich zu sagenhaften Orten geführt. Wir teilten uns ein winziges Bett in der Nähe der Hagia Sofia, dass wir uns leisten konnten. Wir picknickten auf dem Dach im Armenviertel mit dem unglaublichsten Blick auf die blaue Moschee, den man sich überhaupt nur vorstellen kann. 


Wir besuchten ein „gemischtes“ türkisches Bad mit Glasscheiben in den Türen der Umkleidekabinen, das natürlich keine Frau außer uns besuchte. Dafür kamen wir in den Genuss des ganzen Luxus dort, der sich von den Hamams der Frauen doch stark unterschied. Das alles immer in Begleitung von Arno, dem Archäologie Studenten, der uns bei über 40 Grad durch Trojas Ausgrabungen schleppte. 


Wir besuchten nachts das schwarze Meer, um darin zu baden, eine Beschneidungsfeier und lebten 2 Wochen als Gasttöchter auf einem Campingplatz in Asos an der Ägäis. Dort lernte ich Mustafa den Fischer kennen, mit dem wir jeden Morgen ganz früh und in der Abenddämmerung zum Fischen rausfuhren. Da war sie, meine Chance zum Ausstieg aus meinem behüteten, geregelten, europäischen Leben. Ich liebe das Meer und besonders liebe ich, in einem Boot darauf zu sein. Schwimmen ist nicht so mein Ding, aber auf Holz zu stehen und unter mir das Wasser zu spüren, das ist ganz meins. 


Fische ausnehmen und zubereiten übrigens auch. Mustafa träumte davon, ein Restaurant zu eröffnen und ganz ehrlich, ich träumte mit. Wer mich kennt weiß vielleicht, dass ich während meines Studiums in der Küche vom Café Barfuß gejobbt habe und total auf britischen Cream Tea stehe und selber davon träume, im Alter einen Georgian Tearoom zu betreiben, ein B&B, oder eine Künstlerpension, mit mir als alter schrulliger Künstlerin und Wirtin. 


Mustafa wollte das gerne mit mir, aber ich konnte es nicht mit ihm und das Boot und das Meer reichten nicht aus. Oft schon habe ich mich gefragt, was wohl gewesen wäre wenn… Ich gestehe, es war knapp und wenn mein Herz nur mehr für ihn geschlagen hätte, so wäre ich vielleicht geblieben … Aber ganz ehrlich, ich glaube nicht. Ich bin ein Stier, ich liebe Bequemlichkeit und auch gerne ein bisschen Luxus. 


Ich bin etwas phlegmatisch, lass mich nicht so ganz gerne spontan auf neue Dinge ein und brauche Sicherheit und einen Platz, an dem ich mich auskenne und zurückziehen kann. Ein VW Bus ist dazu ziemlich klein. Das kann ich ganz genau sagen, denn ich hatte schon einen. Es ist auch kalt da drinnen, wenn man keine Standheizung hat, oder einen Campingplatz mit Strom. Es ist mega kalt im Daunenschlafsack, wenn es nachts in den schottischen Midlands im August friert. Ich finde einen elektrischen Wasserkocher besser als einen Gaskocher, auf dem das Wasser gefühlte 20 min. braucht, bis es endlich kocht. 


Ich liebe inzwischen meinen Thermomix und nehme ihn auch gerne mit in den Urlaub, wenn ich nicht gerade nach Ibiza fliege. Ich wohne auch lieber im Hotel als auf einem abgeranzten wilden Campingplatz, auf dem man nachts auch gerne mal beklaut wird. Ich weine noch heute meinem selbstgenähten Bärchenshirt nach, das mir auf einem ebensolchen Platz nachts von der Leine geklaut wurde. 


Und trotzdem schwelge ich in so viel Erinnerung aus meiner angehippieten Zeit. Ich weiß noch wie glücklich ich war, als ich endlich auch die schwarzen Samtschuhe besaß, die alle coolen Indienbräute im Jugendzentrum trugen. Schwarzer Samt und Riemchen über dem Spann. Ich hatte auch lange für das Indienkleid mit den Stickereien und den winzig kleinen Spiegeln darin gespart. Ich fühlte mich darin so schön und zugehörig in der Szene, auch wenn es eigentlich total eng und unbequem war. 

Ich hatte für meine Größe schon immer breite Schultern und das war vielleicht bei den Frauen in Indien ganz anders, so schön es mir jedenfalls. Auch heute passen mir diese Pullis und Oberteile nie an den Schultern und Armen. Aber meine Hippievorbilderinnen im Jugendzentrum trugen diese Kleider alle und sahen immer voll glücklich darin aus, so als wären sie dort geboren und darin aufgewachsen.


Ich fühlte mich nie so. Ich fühlte mich so deutsch, verzweifelt bemüht dazu zu gehören, aber einfach nicht cool genug. Ich konnte nicht mit dem großen OM verschmelzen und mich auch nicht dem allem hingeben. Auch wenn ich Festivals liebte, so liebte ich nicht das kalte und meist durchnässte Zelt samt Schlafsack und Luftmatraze, die immer platt wurden, wenn ich nachts darauf schlief. 


Ich mochte nicht die nach Alkohol und anderen Flüssigkeiten riechenden Körper, die mich umgaben und war eigentlich immer froh, wenn ich zuhause in meinem gemütlichen Reich sein konnte. Kurzum, ich eigne mich nicht zum Hippie, weil allein meine Nase schon durchdreht, wenn sie nasses Hundefell oder Schlimmeres riecht. Und trotzdem bleibt da eine Sehnsucht nach einem freien Leben, abseits von Konventionen und „do’s and don’ts“. Eine Sehnsucht, frei bestimmt in den Tag zu leben und morgens zu fühlen, was mir gut tut. Frei zu entscheiden, was ich wann tun oder lassen möchte. EINFACH leben…einfach LEBEN. 

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